Haus im Frühling


Haus im Frühling

Schon immer war mir der Frühling Freund
wie jedem, der ihn besang,
doch diesjahrs kommt er bekränzt und gebräunt
und mit lachendem Überschwang.
Er gibt mir Wiesen und Hain und Wald,
eigen Hof, eigen Haus und Getier
und bleibt in deiner geliebten Gestalt
für selige Zeiten bei mir!

O, denk es zu Ende! O, denk dir dies
anwachsende Glück zu zwein.
Der Abend: dein Gang über knirschenden Kies
und drin meiner Lampe Schein!
Der Winter: wir zwei, die geborgen sind,
über liebe Bücher gebeugt!
Und denk das Kind dir, unser Kind
von Sehnsucht und Kraft gezeugt!

Du gibst mir Heimat, du gibst mir ein Haus,
nimmst Friedlosigkeit von mir.
An deiner Brust weint das Weh sich aus
und Angst verzittert bei dir.
Nun kommt meines Lebens Erntezeit
und nun erst lern ich verstehen
den Jubel des von der Vogelweid:
"Ich hân min lêhen - min lêhen!"

Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930

Alma Johanna Koenig, geboren am 18. August 1887 in Prag; ermordet am 1. Juni 1942 im Vernichtungslager Maly Trostinez (bei Minsk), Lyrikerin und Erzählerin.

Das Bild "Kleine Hütten im Wald" ist von der 2017 verstorbenen Fredelsloher Künstlerin Andrea Rausch. Mit freundlicher Genehmigung der Hedi Kupfer Stiftung Fredelsloh als Nachlassverwalterin.

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