Das Häschen

Das Häschen

Unterm Schirme, tief im Tann,
hab ich heut gelegen,
durch die schweren Zweige rann
reicher Sommerregen.
Plötzlich rauscht das nasse Gras –
Stille! Nicht gemuckt! –
Mir zur Seite duckt
sich ein junger Has’.
Dummes Häschen,
bist du blind?
Hat dein Näschen
keinen Wind?
Doch das Häschen, unbewegt,
nutzt, was ihm beschieden,
Ohren weit zurück gelegt,
Miene schlau, zufrieden.
Ohne Atem lieg ich fast,
lass die Mücken sitzen,
still besieht mein kleiner Gast
meine Stiefelspitzen.
Um uns beide – tropf - tropf - tropf –
traut eintönig Rauschen.
Auf dem Schirmdach – klopf – klopf – klopf –
und wir lauschen, lauschen.
Wunderwürzig kommt ein Duft
durch den Wind geflogen;
Häschen schnuppert in die Luft,
fühlt sich fortgezogen.
Schiebt gemächlich seitwärts,
macht Männchen aller Ecken.
Herzlich hab ich aufgelacht,
ei der wilde Schrecken!
Christian Morgenstern (1871–1914)

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