GOTTFRIED BENN


GOTTFRIED BENN
* 2. MAI 1886
KANN KEINE TRAUER SEIN
In jenem kleinen Bett, fast Kinderbett, starb
die Droste
( zu sehn in ihrem Museum in Meersburg )
auf diesem Sofa Hölderlin im Turm bei
einem Schreiner,
Rilke, George wohl in Schweizer
Hospitalbetten,
in Weimar lagen die großen schwarzen Augen
Nietzsches auf einem weißen Kissen
bis zum letzten Blick -
alles Gerümpel jetzt oder gar nicht mehr
vorhanden,
unbestimmbar, wesenlos
im schmerzlos - ewigen Zerfall.
Wir tragen in uns Keime aller Götter,
das Gen des Todes und das Gen der Lust -
wer trennte sie: die Worte und die Dinge,
wer mischte sie: die Qualen und die Statt,
auf der sie enden, Holz mit Tränenbächen,
für kurze Stunden ein erbärmlich Heim.
Kann keine Trauer sein. Zu fern, zu weit,
zu unberührbar Bett und Tränen,
kein Nein, kein Ja,
Geburt und Körperschmerz und Glauben
Ein Wallen, namenlos, ein Huschen,
ein Überirdisches, im Schlaf sich regend,
bewegte Betten und Tränen -
schlafe ein!
Gottfried Benn
Monographie
Wolfgang Emmerich
Rowohlt Taschenbuch Verlag

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