Die Kapelle
Die Kapelle
Im schatt'gen Winkel zwischen Busch und Baum
lag eine Grabkapelle tief versteckt.
Es war dort einsam, selbst des Mittags Glanz
vermochte nicht den Schauer zu vertilgen,
der diesen Ort umfing. Die „junge Gräfin“,
sie ruhte dort. – Ich hatte sie gesehen
auf dunklem Postament, im weißen Kleid,
im schwarzverhangnen Saal des Grafenschlosses
so bleich und schön. Die schmalen weißen Hände,
sie ruhten still gefaltet auf dem Busen,
und Blumen ringsumher. Die Lichter brannten,
und war doch draußen heller Sommertag. –
lag eine Grabkapelle tief versteckt.
Es war dort einsam, selbst des Mittags Glanz
vermochte nicht den Schauer zu vertilgen,
der diesen Ort umfing. Die „junge Gräfin“,
sie ruhte dort. – Ich hatte sie gesehen
auf dunklem Postament, im weißen Kleid,
im schwarzverhangnen Saal des Grafenschlosses
so bleich und schön. Die schmalen weißen Hände,
sie ruhten still gefaltet auf dem Busen,
und Blumen ringsumher. Die Lichter brannten,
und war doch draußen heller Sommertag. –
Nun schlief sie hier allein in dunkler Gruft. –
An's Gitter wohl, erfüllt von stillem Grau'n,
zuweilen drückt' ich mein Gesicht und starrte
in's Finstre ängstlich, bis der schwarze Sarg,
bedeckt von Blumen und verdorrten Kränzen,
verschwommen vortrat aus der Dämmernis.
An's Gitter wohl, erfüllt von stillem Grau'n,
zuweilen drückt' ich mein Gesicht und starrte
in's Finstre ängstlich, bis der schwarze Sarg,
bedeckt von Blumen und verdorrten Kränzen,
verschwommen vortrat aus der Dämmernis.
So stand ich einst an einem Sommertag,
da ward es auf der Straße fröhlich laut
von heitrem Stimmgewirr. Zur Mauer lief ich
und sah hinab. Ein bunter Reitertrupp
von Männern und von Fraun. Auf schwarzem Ross,
voran zur Seite des Gemahls, ein Weib
gar stolz und schön – die „neue junge Gräfin“,
vor kurzem erst dem Gatten angetraut.
da ward es auf der Straße fröhlich laut
von heitrem Stimmgewirr. Zur Mauer lief ich
und sah hinab. Ein bunter Reitertrupp
von Männern und von Fraun. Auf schwarzem Ross,
voran zur Seite des Gemahls, ein Weib
gar stolz und schön – die „neue junge Gräfin“,
vor kurzem erst dem Gatten angetraut.
Scherz und Gelächter, und vor allem laut
des Grafen volle Stimme. Schneidend Weh
durchbebte mir die junge Kinderbrust:
»Sie muss ja alles hören!« schrie's in mir.
Ich blickte angstvoll nach dem stillen Haus –
ein quälend Rätsel bang und schauervoll
erfüllte mir die grübelnden Gedanken.
Vorüber ging der lärmend bunte Zug,
und Mittagsstille ward es wie zuvor.
des Grafen volle Stimme. Schneidend Weh
durchbebte mir die junge Kinderbrust:
»Sie muss ja alles hören!« schrie's in mir.
Ich blickte angstvoll nach dem stillen Haus –
ein quälend Rätsel bang und schauervoll
erfüllte mir die grübelnden Gedanken.
Vorüber ging der lärmend bunte Zug,
und Mittagsstille ward es wie zuvor.
Ein Sonnenstrahl kam durch das Blätterdach
und hob in hellem Glanz die Inschrift vor,
die ob dem Eingang der Kapelle stund
in Gold: »Die Liebe höret nimmer auf!«
und hob in hellem Glanz die Inschrift vor,
die ob dem Eingang der Kapelle stund
in Gold: »Die Liebe höret nimmer auf!«
Heinrich Seidel (1842 –1906)
Gedichtesammlung Aus der Kindheit
Gedichtesammlung Aus der Kindheit
Bild: Großherzogliche Grabkapelle Karlsruhe – imago-images.de
Der badische Großherzog Friedrich I. und seine Gemahlin Luise von Preußen ließen ab 1889 dieses romantische Mausoleum, verborgen in der Lärchenallee des Hardtwaldes am Rande des Fasanengartens, errichten. Die Großherzogliche Grabkapelle Karlsruhe kann man im Rahmen von Sonderführungen besichtigen.
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