ARBEITS-STÄTTE


ARBEITS-STÄTTE
Von Sonne, Schnee und Regen abgeschlissen
Die breite Bank am breiten Tische steht -
Viel wilde Vögel haben sie beschneet -
Und morgens oftmals nach Gewittergüssen
Sind Lärchenzweige, die der Sturm gerissen,
Wie dünne Geißelschnüre draufgeschmissen,
Und Blüten auf ihr falbes Holz geweht.
Man kann da viele Stunden sitzen
Und kann auch liegen ganz der Länge nach
Und kann im nackten Licht wie Gäule schwitzen,
Bis man - wenn schon die Bäume sich erhitzen -
Ganz vollgesoffen an der Sonne Zitzen
Und farbenblind von ihren Mittagsblitzen
Sich niederwälzt zum Bad im kühlen Bach.
Hier schreib ich häufig nichts und niemals Briefe
Und selten einen Vers, noch seltner zwei.
Ich habe meine Pfeife mit dabei
Und stopfe sie und klopf' sie wieder aus -
Und denke, wenn ein Gott zur Prüfung riefe,
Dann könt' ich tun, als ob ich schliefe,
Und keiner brächte das heraus:
Ob ich hier schürfe in des Geistes Tiefe,
Oder nur still im dösigen Einerlei
Des Atmens köstlich faul und -lenzend sei,
Indem ich mich auf Jesu Wort beriefe,
Dass nur, wer gar nichts tut, von Sünden frei.
Wie Milch zum Säuern steht in irdner Schüssel,
So ruht und setzt sich meiner Seele Rahm.
Und nur ein Bremsenbiss, ein Schnakenrüssel
Ist Schuld, wenn mir ein Tröpflein Blut entkam.
Ich höre Blätter fallen, Grillen schaben,
Und spüre, wie ein Wind die Blüten stäubt,
Und wie ein Eichhorn in die Pfoten schnäubt,
Weil diese Tiere ja kein Sacktuch haben,
Und manches quillt aus meines Hirnes Waben,
Wogegen sich die Feder sträubt.
Wenn es dann gegen Abend kühler weht,
Und sich die Wiesen voll mit Schatten saufen,
Die Bäche lauter über Steine laufen,
Und zarter Nebel aus den Bäumen steht -
Sagt uns ein Hauch, dass Ruhe nun geboten.
Man trinkt gemächlich den Tiroler Roten
Und starke Schnäpse oder frisches Bier,
Und denkt der Lebenden, der Toten,
Der ersten Ozeanflieger und der letzten Goten -
Bis uns die Nacht betupft mit Katzenpfoten -
Und morgens früh beginnt man wieder hier.
Carl Zuckmayer

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