Der Besessene

Der Besessene

Von einem Unbesessenen.
Mir graut, ich bin besessen,
besessen von dem Gelde hier,
mein Schaffen, selbst mein Sinnen,
mein Träumen wird zu Gelde mir.
Was meine Hand berühret,
wird märchenhaft zu Gelde mir,
die Sehnsucht meines Herzens
wird eingelöst mit Gelde mir.
Ich dürst' nach Lieb' und Freundschaft,
nach Mut, nach Frohsinn, Ehr und Ruhm,
mein heißer Drang nach Tugend,
er setzt sich schnöd in Gelde um,
vor meiner Türe wimmern, ach,
die Hungernden und Armen,
und ich bin nicht imstande, ach,
mich ihrer zu erbarmen.
O Brüder, liebe Brüder,
wie teil' ich euch von Überfluss,
da ich doch selber mitten
im schnöden Gelde darben muss.
Das Geld als Segen Gottes,
das habe nie besessen ich,
doch bin von schlechtem Mammon
seit Jahr und Tag besessen ich.
Und weil vor dem Verlieren
in Angst und Sorg' ich beben muss,
so hab ich Not und Elend
vom Geld, so lang' ich leben muss.
Und wenn ich's einst verlassen soll,
wird doppelt hart das Sterben
und schmähen einen Geizhals mich
die tief verhassten Erben. –
O grauenhaftes Schicksal, du,
den Mammon zu verfluchen,
und ihn mit Hungers Hast und Gier
doch immer müssen suchen.
Dem Armen das Verschmachten
für seine Seele frommen muss,
dieweil die meine jämmerlich
im gold'nen Bann verkommen muss.
O Gott, wie wird das enden noch,
was soll mich Ärmsten laben,
wenn ich den gold'nen Becher leer
in lahmer Hand werd' haben!
Noch einmal möcht' für Göttliches
auf Erden ich erwarmen.
Erlöse von den Banden mich,
Erbarmen, Herr, Erbarmen!
Peter Rosegger (1843 –1918)

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