Hexenhochzeit


Hexenhochzeit

Ganz tief im Brummbär-Brombeer-Wald
Da hauste eine Hex;
Alt war sie tausend Jahre bald
Und kannte jed Gewächs

Und jeden Vogel, jeden Stein
Und selbst das kleinste Tier;
Herrin im Hag war sie allein,
Die Wesen dienten ihr.

In ihrer Felsenküche gor
Manch giftig-zäher Saft,
Gebräu, Arznei und Schmer und Schmor
Von großer Zauberkraft.

Zur Maizeit in der Neumondnacht
Nahm sie den tollsten Trank,
Dazu ein Bad, da wars vollbracht,
Und jung stand sie und schlank:

Schneehell das Antlitz, zart und rund,
Das Auge frisch und klar,
Und rot und voll und weich der Mund,
Und Goldgelock das Haar.

Sie zeigt dem Spiegel ihr Gesicht,
Der sprach: »Schön seid ihr, Frau,
Drei Tage währts, doch länger nicht,
Drum richtet euch genau.«

Früh trat sie aus dem Baum hervor,
Bog das Gebüsch beiseit;
Dachs aus dem Bau und Has, ganz Ohr,
Erschienen dienstbereit.

Sie winkte, ging durchs Dickicht grad
Und blieb zuweilen stehn,
Sich umzusehn, sie nahm den Pfad,
Den Menschen manchmal gehn.

Bald kam ein Köhlerknecht des Wegs.
Er sah und – wie sichs gibt –
War ohne ein Erstüberlegs
Vergafft, verguckt, verliebt.

Er sprach: »Du blickst so wunderlich,
Daß du mich all entflammst.«
Sie sprach: »Du riechst so zunderlich,
Weil du vom Meiler stammst.«

Er sprach: »Was tuts? Schau besser her!
Bin ich nicht fest und frisch?«
Sie lacht'. Es war die Wahl nicht schwer.
Sie lud ihn ein zu Tisch.

Im prasergrünen Talpalast
Saß er beim Mahl mit ihr.
Zwölf Wildschweinrücken aß der Gast
Und trank drei Hechter Bier.

Bucheckerngrütz und Erpelklein
Gabs dann und Dommelzung
Und Bizzelspritzelwitzelwein,
Den Jahrgang jach und jung.

Zum Schluss gabs würzgen Wurzelgeist;
Er kippt' ihn mit Genuss
Und war beschwippst und wurde dreist
Und gab ihr einen Kuss.

Und sprach: »Mir fliegt die Liebeshitz
Wie Gnitzen ins Gesicht,
Wie Wut ins Blut und nimmt Besitz
Und – merkst du es denn nicht? –

Das Herz pocht an die Rippen mein,
Als hämmerte ein Specht;
Ich wollt, du wollst mein Bräutchen sein;
Sag, Schatz, dir ist's doch recht?«

Sie schwieg. Er spürt', sie willigt ein,
Trug sie zum Lager, toll;
Das Lein war sommerfädenfein,
Die Deck aus Distelwoll.

Sie sanken hin, genossen sich;
Sie fanden sich gewandt,
Erschlossen sich, ergossen sich,
Verströmten ineinand',

Vergnügten, fügten, habten sich,
Und wurden lass und leis,
Ergetzten, letzten, labten sich
Aufs Neue, hell und heiß.

Dann lagen sie und schwiegen lang,
Zart, schmiegsam, ausgetost,
Befangen noch vom Überschwang
Und wohlig nachliebkost.

Doch bald wars Mitternacht vorbei,
Da bat sie ihn aus Lieb
Zu gehn, weil es nicht schicklich sei,
Daß er noch länger blieb.

Er ging, lag unterm Hollerstrauch,
Schlief tief und traumerglüht;
Dort fand sie ihn im Morgenrauch
Laut schnarchend, taubesprüht.

Sie saß im Busch, bestaunte baß,
Wie dieser Schlafratz schnob,
Im Atemschlurf und Atemlaß
Die Brust sich senkt' und hob.

Sie kitzelt' ihn, er nieste darauf;
Mit einem lauten »Tzisch«
Erwacht er lachend und sprang auf,
Und war unendlich frisch.

Es war wie dieser Maitag toll
Noch nie ein Tag im Mai;
Sie herzten, scherzten, übervoll
Von Lust und Neckerei.

Er fragt': »Wie heißt du eigentlich?«,
Als drauf die Rede kam;
Sie blieb ein Weilchen schweigentlich,
Dann nannt sie ihren Nam':

»Gib acht! Ich bin die Hagidis!«
Er brummte: »Höh! Wie dumm!
Das sticht ja wie ein Natterbiß.
Weißt du, ich tauf dich um

Und nenn dich Weißchen-Meisenspeck
Und Wes'chen Küß-nicht-faul
Und Schnickelschnackelschnuckelschneck
Und Hummelhonigmaul.«

Sie nannt' ihn Schwarzwatz-Kohlenfratz
Und Rußrab-Riesegroß.
Zu Wonnen fand sich manch ein Platz
Im Gras und weichen Moos.

Bei Kuß und Kosen aber blieb
Nicht dieser Tag im Wald.
Er sprach: »Hast du mich wirklich lieb,
Dann heiratst du mich bald.«

Drauf sprach sie: »Schön und gut und fein!
Wenn es dir so gefällt,
Soll heute noch die Hochzeit sein;
Der Saal ist schnell bestellt.«

Zur Feier kamen, schön zu schaun,
Zwei Bärlein: Betz und Urs,
Zwei Quellenfraun, zwei Wellenfraun,
Vier Gnome und ein Thurs.

Aus Algenseide war ihr Kleid,
Der Umhang Hermelin,
Der Halsschmuck Bernstein-Goldgeschmeid,
Im Haar ein Krönchen schien.

Sie sprach zur Schar: »Nach altem Recht
Nehm ich und gutem Brauch
Zum Mann den Hartmut Köhlerknecht
Und wißt: Ich lieb ihn auch.«

Sie sprach zu ihm: »Mein holder Schatz,
Nun nehm in Nutz und Schutz
Ich Mondenkind dich Sonnenfratz,
Und dies hier sei dein Putz.«

Sie schenkt' ihm Schuh aus Binsenwand,
Ein Muschelkettchen gar
Und setzt' ihm auf mit linker Hand
Die Haub aus Hasenhaar.

Die Gäste johlten: »So ists echt!
Hei! So was sieht man gern!
Heil Hagidis! Heil Köhlerknecht!
Zur Heirat Glück und Stern!«

Man feierte, man aß, man trank,
Spielt' Haschmichrasch und Blindekuh,
Und wackeltanzte schwank und wank
Und gahlerte dazu.

Der Tag erschien, es losch der Kien,
Da war der Trubel um,
Sie taumelten zum Lager hin
Und stürzten selig-stumm

Eins in des Andern Arme, heiß
Verzehrt von der Begehr,
Vermählten sich und wurden leis,
Entschlummerten dann schwer,

Die glühen Glieder zartverschränkt,
Und nackend Brust an Brust,
Wachten zuweilen auf, beschenkt
Vom Ungestüm der Lust.

Schon trat die Drittnacht in den Hag;
Sie schliefen wunderbar,
Ihr Haupt an seiner Schulter lag,
Sein Atem blies ihr Haar.

Es kam die Mitternacht. Da spürt'
Ers kalt; auch wars, als hätt
Er Rindig-Rauhes angerührt...
Jäh fuhr er auf vom Bett...

Und sah schlaftrunken, wie da rasch
Ein runzlig Weib sich wandt,
Ins Leere langte, und im Hasch,
Ein Rauch, ein Hauch, entschwand.

Er sank zurück, begriff nur halb
Vom Schlaf zu sehr gesträngt,
Ihm deuchte wohl, ihm hätt ein Alb
Quälend die Brust geengt.

Ins Schlafgarn fiel er, wo nun traut
Ihn traf ein Traumgesicht,
Verschlief die Nacht, den Morgenlaut,
Und erst im Mittagslicht

Riss er die Augen auf: Da lag
Im Hollerstrauch er, ja,
Doch war der Wald wie alle Tag,
Vom Schloß kein Stein stand da.

Klang nicht ein Hüsteln, heiser-tief?
Er rannt' ihm nach, verwitzt:
Ein Kuckuck rief, ein Hase lief,
Ein Bär brummte verschmitzt.

Da gellte er: »Ich will dich!« schrill,
Da schrie er: »Hex herbei!«
Der Hag ward plötzlich sterbestill,
Sein Herz ein Klumpen Blei.

Ein Schauer scharf, ein Hexenschuss,
Fuhr ihm durch Mark und Bein;
Bang ward er und trug den Verdruss
Mit seiner Seel allein. –

Der Köhler fand zum Meiler heim,
Der raucht' noch, als er kam;
Es schien der Wald ihm ungereim,
Den Menschen ward er gram.

Er sagte nie ein Sterbensworte
Von dem, was er erfuhr;
Oft triebs ihn ruhlos suchend fort,
Nie fand er eine Spur.

So lebte er noch hundert Jahr ...
Sein Meiler, der verdarb,
Als, krumm vor Gicht, er, blind vom Star,
Die Hex verfluchend, starb.

Doch tief im Brummbär-Brombeer-Wald,
Sehr sicher des Verstecks,
Alt schon zweitausend Jahre bald,
Da haust sie noch, die Hex.

Unsichtbar! Und da spent und spukt
Ihr Wesen, und da zischts,
Da wuschelts, tuschelts, huschgeduckt,
Da schimmerts, schummerts, wischts;

Da sitzts und raschelts, wisperts, flitzts
Im Busch, am Wurzelknorren,
Am Bach, da glitzts, im Laub, da blitzts,
Den Zauber raunt es verworren.

Aus: Schalmei vom Schelmenried von Hans Schiebelhuth, Darmstädter Verlag, 1933

Hans Schiebelhuth, geboren am 11. Oktober 1895 in Darmstadt; gestorben am 14. Januar 1944 in East Hampton, New York, USA, expressionistischer Schriftsteller und Dichter.

Die Illustration ist von Edward Frederick Brewtnall (1846 - 1902)

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