Schreibblockade
Mein Name ist unwichtig. Es spielt keine Rolle, wo ich herkomme. Ich hätte schon vor Jahrzehnten von einem betrunkenen Autofahrer zermalmt werden können, heute würden immer noch Kinder lachen, Menschen miteinander schlafen, würde immer noch die Sonne aufgehen und der Erde Leben schenken.
Ich bin nur ich. Ohne mich tickt die Uhr des Kosmos mit der selben rücksichtslosen Gleigültigkeit weiter.
Vor zwei Nächten saß ich, mit einem dezenten Wiskyschleier vor der Großhirnrinde, auf dem Bett und quälte meinen Labtop. Einige Tage zuvor war mir gelungen, wovon ich lange geträumt hatte. Die ultimative Geschichte. Der Treffer. Ich bin im Internet hoch gelobt worden
und hatte einen jugendlichen Höhenflug. Jetzt stand ich unter Zugzwang. Ich musste, um meine Leser nicht zu enttäuschen, diese eine Story bravourös toppen.
Zeilen entstanden unter meinen Händen und wurden von mir frustriert mit einem Klick ins digitale Jenseits befördert. So kannte ich mich gar nicht. Ich war stets ein übersprudelnder Quell unerschöpflicher Kreativität. Jetzt fühlte ich mich wie ein Schatten meiner selbst.
,,DU KENNST DEN AUSWEG! DU WEIßT UM DIE LÖSUNG!
Wer war das? Da ploppte ein fremder Account ohne Profilbild und seltsamerweise auch ohne Namen in meinem Messenger auf.
Wurde ich gehackt?
,,Wer bist du?"
,,ICH BIN GANZ WEIT UNTEN. UND ICH KENNE DEN WEG.
,,Verschwinde!!"
DER WRG FÜHRT INS CHAOS. IN DIE DUNKELHEIT. DIREKT IN DEN ANDERSRAUM. DORT WARTET ER AUF DICH.
Ich spürte wie so oft dieses leise Flackern hinter mir. Ich wußte wer das war. Ich habe ihn in meinem Buch "Geschichten aus dem Andersraum" selbst erschaffen. Deshalb hat er mich bis jetzt nicht getötet. Noch nicht!
,,Was ist die Lösung?"
EIN GÜTERZUG. GANZ IN DEINER NÄHE VERLÄUFT EINE TRASSE. DU MUßT NUR DEINEN KOPF DARAUF LEGEN. DANN HAST DU RUHE VOR IHM UND VOR ALLEM ANDEREN. VOR DIR SELBST
0.25.UHR FÄHRT DER NÄCHSTE DURCH.
BEEIL DICH!!!
,,Scheiß was werd ich! Geh aus meinem Messenger!
Irgend so ein Spinner der mein Buch gelesen hat. Na ja. Jeder kriegt die Fans die er verdient.
ICH WERDE DICH NICHT IN RUHE LASSEN, BIS ZU DEINEM ENDE. WANN DIESES ENDE IST, LIEGT BEI DIR. WILLST DU DEN NIMMERMENSCH-ZYKLUS VOLLENDEN UND DEM SCHWARZEN MANN SOMIT UNEINGESCHRÄNKTE MACHT VERLEIHEN, ODER WILLST DU ES DURCH DEINEN TOD BEEBDEN, BEVOR ES ZU SPÄT IST?
Ich war echt von Idioten umgeben.
,,Leck mich am Ellenbogen!!!!!"
Eine fünf Zentimeter lange Narbe zwischen dem Ring- und Mittelfingerknöchel, verursacht durch einen abgerutschten Zirkel in der Schule, die ich seit ich zwölf Jahre alt war an der linken Hand trage, fing an zu jucken. Tut sie immer wenn sich prekäres anbahnt.
RUHE SANFT, UND TRÄUM DICH IN DIE EWIGKEIT
Ich wollte gerade wütend den Laptop schließen, da hielt ich in der Bewegung inne.
Das hatte meine Mutter 1990 zu meinem Opa gesagt, als er tot in der Friedhofskapelle aufgebahrt war.
,,Du bist sowas von fällig!"
ERGEZINGERSTRAßE 66
NORD
DRITTE REIHE LINKS
Dann erlosch das Licht, der Screen, Ich saß in völliger Dunkelheit.
-ERGEZINGERSTRAßE 66, das ist der Friedhof!
Ein Grab!-
Eine Stunde später strebte ich im Nieselregen mit einer Taschenlampe durch die Reihen von Grabsteinen und Urnengräbern.
Tagsüber war es hier richtig schön. Jetzt hatte ich einen Kloß im Hals.
Da vorne musste es sein. Noch ein paar Meter.
Der Lichtkegel fiel auf einen dunklen Fleck Erde
und ein namenloses, schlichtes Holzkreuz.
Ein frisches, anonymes Grab!
Ich verkantete die Lampe am Kreuz und stieß einen mitgebrachten Spaten in den weichen, duftenden Boden. Ich arbeitete so schnell es ging. 50cm, .....70,cm Jetzt wollte ich es wissen.
Der Edelstahlspaten traf auf Widerstand.
Ich legte im Schein der Taschenlampe den Deckel einer billigen Holzkiste frei.
Ich zertrümmerte ihn kurzerhand mit meinem
Spaten. Gar nicht so leicht. Die Nässe und Kälte krochen penetrant in meinen Mantel. Ich ließ mich auf die Knie fallen und riß die letzten Holztrümmer fort.
Ich leuchtete außer Atem und mit Matsch besudelt in den engen Raum. Da lag ein kopfloser, noch nicht verwester Körper in einem weißen Totenghemd. Es sah aus als wäre ihm der Kopf abgequetscht worden. Als...Als hätte etwas Schweres auf ihn eingewirkt. Zum Beispiel ein Zug!
Die Fingerkuppen fehlten. Oh Gott! Sie schienen abgewetzt zu sein. Post mortem!
Mein Blick fiel auf die Innenseite des Sargdeckels. Ich näherte mich und sah genauer hin. Da war etwas eingeritzt. Oder besser hineingekratzt, mit übermenschlichem, wenn nicht übernatürlichem Willen, Eifer, perverser Kraft und......Inspiration!
Schrift!
Ich versuchte es zu entziffern.
NIMMERMENSCHS GNADE
Der gesamte Deckel war übersäht von Schrift und Symbolen.
Ein Titel!
EIN MANUSKRIPT!
Der nächste Schritt in der logischen Reihenfolge.
Ich nahm mein Smartphone und fotografierte den Deckel ab. Fotografierte und fotografierte.
Da schloß sich reflexartig die linke Hand des Toten eisern um meinen Unterarm. Die Hand war so sehr vertraut, das ich nicht schrie nur erstarrte. Vielleicht hatte ich aber auch nur Angst vor meiner eigenen Stimme. Ich betrachtete mit rasendem Herzen das tote Körperteil.
Da war eine Narbe. Ca fünf Zentimeter lang, zwischen dem Ringfinger- und dem Mittelfingerknöchel
.........verursacht durch einen abgerutschten Zirkel in der Schule.
Da, auf diesem gottverlassenen Friedhof, mitten in einer wirklich schrägen Nacht, war mir ein möglicher Weg gezeigt worden.
Und wenn er könnte, würde er sich freuen.
Das er weiterleben kann. Hier und im Andersraum. Er ist Teil des Universums.
Ein böses Rädchen im Weltgetriebe.
DER NIMMERMENSCH
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