Ein verfallenes Schloss


Ein verfallenes Schloss
Den Trümmern stehn des Waldes grüne Wogen
wie frische Myrten der verlass'nen Braut ...
Mir ist bei jenen halbzerbroch'nen Bogen,
als ob ein Aug' mich sterbend angeschaut.
Ob auch die Sonn' mit einem Strom des Lebens
das sinkende Gemäuer hell begrüßt,
ach, all ihr treues Mühen ist vergebens –
hat je das Leben wach den Tod geküsst?
Die Büsche schmiegen ihre zarten Spitzen
wie grüne Schleier um den grauen Bau,
leis rauscht Geröll aus graubemoosten Ritzen,
dazwischen nickt der Glockenblume Blau.
Der Efeu zieht sein Netz um Kluft und Spalten,
um jene Zeugen der Vergänglichkeit,
als wollt' er liebend das zusammenhalten,
was übrig noch aus längstvergang'ner Zeit.
So steht dies Werk, verwittert und zerfallen,
ein Bild versunk'ner Größe, überm Tal,
verlassen stehn die hochgewölbten Hallen,
die Jubel einst durchscholl beim Weinpokal.
Ich blick' mit Wehmut auf die düstern Mauern,
die leise der Vernichtung Hauch verheert,
und mein Gemüt durchzieht ein tiefes Trauern ...
Ich denk an das, was mir einst lieb und wert.
E. Marlitt (1825 –1887), Pseudonym für Friederieke Henriette Christiane Eugenie John
Bild: Ruine des Chateau de Vebrac im Westen des Weinanbaugebiets Cognac, Frankreich – stern.de

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