Die Gauklerin


Die Gauklerin

Die gelben Vögel ängsten nie,
Wenn ich sie greifen will,
Als flaum'ge Kugeln halten sie
Dem losen Handwerk still;
Wer kennt auch grünes Gläserspiel,
Das nicht beim Sprung zerklirrt,
Den Silberreif, der läutend fiel,
Im Gleiten unverirrt ?

Es wird, was lächelnd ich geschafft,
Ein Lächeln eben wert;
Wohl keines ist so elfenhaft,
Gering und leicht entbehrt.
Ein veilchenscheuer Becher trug
Die Lehre, die ich trank,
Von grober Hölzer zartem Flug,
Von blöder Steine Schwank.

Verwahrt, was gründelos und kurz,
Die Kunst, den Seifenball,
Der farb'gen Bänder Wassersturz,
Den Regenbogenfall,
Der schweigend mischt und schnell verwischt
Ein Rätsel, das er schreibt,
Auf immer, wenn ihr wollt, erlischt
Und, wollt ihr, ewig bleibt.

Verschmäht die ungesetzte Welt,
Daran mein Wesen lebt,
Habt Mitleid mit dem runden Geld,
Das zäh am Finger klebt:
Und doch, wenn einstmals karger Raum
Mit weher Lahmheit schlug,
Beschwingt euch meinen Kindertraum
Und habt an ihm genug.

Gertrud Kolmar, aus: 49 Gedichte in 4 Räumen, geschrieben um 1933, posthum veröffentlicht

Gertrud Kolmar (Pseudonym für Gertrud Käthe Chodziesner, geboren am 10. Dezember 1894 in Berlin; Anfang März 1943 nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet.

Die Illustration ist von Mario Borgoni (1869 - 1936)

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