Das Hemd des Glücklichen
Emanuel bin Gorion – Das Hemd des Glücklichen
Ein König war krank und ließ im Lande verkünden, er wolle die Hälfte seines Teiches dem geben, der ihm Heilung bringe. Da versammelten sich die weisen Männer und beratschlagten, wie der König zu heilen wäre. Doch keiner wusste ein Mittel zu nennen. Nur einer meinte, es sei dennoch Hilfe möglich. Er sagte: Wenn man einen Menschen fände, der vollkommen glücklich wäre, diesem das Hemd auszöge und es den König anziehen ließe, so würde der Kranke genesen.
Sogleich wurden Boten entsandt, einen solchen Glücklichen zu suchen, und der Sohn des Königs zog ihnen voran. Aber sie konnten keinen Menschen finden, der mit seinem Schicksal zufrieden gewesen wäre. War einer reich, so litt er Krankheit und Schmerzen; war ein andrer gesund, so drückten ihn Armut und Not. Und fehlte einem dritten auch nichts, erfreute er sich der Gesundheit und hatte er Geld in Fülle, so keifte im Hause eine böse Frau, und ungeratene Kinder machten ihm Sorge. Kurz, jeder klagte über sein Los und schalt es ungerecht. Eines Abends aber ging der Sohn des Königs an einer Hütte vorbei und hörte drinnen einen Menschen so zu sich selber sprechen: „Nun hab‘ ich meine Arbeit getan, bah‘ mich sattgegessen und sattgetrunken und gehe schlafen; was fehlt mir noch? Ich bin der glücklichste Mensch!“ – Wie der Prinz diese Worte vernahm, ward er voll großer Freude und wollte das Hemd des Glücklichen für seinen Vater haben. Dem Armen sollte man Geld geben, wieviel er nur haben wollte.
Die Diener des Königs kamen zu dem Glücklichen und wollten ihm das Hemd ausziehen; allein – der Fröhliche war so arm, dass er nicht einmal ein Hemd am Leibe hatte.
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