Das überzählige Ei

Das überzählige Ei

Ein Rotschwänzchenpaar hatte in einer alten Gartenmauer, in der ein Ziegelstein fehlte, sein Nest gebaut. Als das Männchen von einem Ausflug zurückkam, saß das Weibchen ratlos am Rand des Nestes und schüttelte den Kopf.

"Ich bin ganz sicher, dass ich bisher vier Eier gelegt habe, und ich war nur ganz kurz weg, um ein paar Fliegen zu fangen. Und jetzt liegen fünf Eier im Nest", sagte es.

"Du wirst dich halt verzählt haben", antwortete gutmütig das Männchen.

"Also bis fünf kann ich zählen", erregte sich das Weibchen.

An der Gartenmauer schlich ein Fuchs entlang, der den Streit des Rotschwänzchenpaares mit anhörte.

"Wenn ihr ein überzähliges Ei habt, dann werft es doch herunter", sagte der Fuchs. "Eier sind meine Leibspeise."

"Kommt nicht in Frage. Ich werfe meine Kinder doch nicht einem Fuchs ins Maul", rief das Weibchen aufgebracht und setzte sich wieder auf die Eier.

"Das wird euch noch Leid tun", grinste der Fuchs und trollte sich. Es waren noch keine vierzehn Tage vergangen, da schlüpfte das erste Vogelküken aus. Es war sehr hungrig.

"Das ist ein strammer Bursche", sagte der Rotschwänzchenvater stolz.

Der kleine Vogel entwickelte sich prächtig. Bald wurde ihm das Platz zu eng und er warf die Eier aus dem Nest, aus denen seine Geschwister schlüpfen sollten, so dass sie auf der Erde zerbrachen.

Da kam wieder der Fuchs vorbei, sah was geschehen war und lachte.

"Habe ich euch nicht prophezeit, dass ihr euer Verhalten noch bereuen werdet?" sagte er. "Ihr hättet mir das überzählige Ei geben sollen, denn es ist ein Kuckucksei. Frau Kuckuck hat es euch ins Nest gelegt, weil sie selbst zu faul ist, ihre Eier auszubrüten. Euer strammer Bursche ist kein Rotschwänzchen, sondern ein Kuckuck. Aber ich mag auch Kuckucksjunge. Werft mir das Küken nur herunter."

"Jetzt, wo wir nur noch das eine Junge haben und es sich so gut entwickelt?", entrüstete sich Frau Rotschwanz und schnappte in ihrer Mutterliebe nach einer Fliege, um sie dem Ziehkind in den Schnabel zu stecken.