Die Windsbraut


Anna Ritter
(1865 - 1921)

Die Windsbraut
Die Windsbraut tanzt. Von ihren kleinen Füßen
Hebt sie den Saum des wehenden Gewands
Und wiegt sich kichernd in den schmalen Hüften.
Der Rose ruft sie schmeichelnd: "Schwester.. komm."
Und reißt die Zögernde vom Dornenstrauch,
Um sich die weiße Brust damit zu schmücken.
Es klingt das Gras, wenn es ihr Fuß berührt,
Das welke Laub greift mit den müden Händen
Nach ihrer Schleppe, läßt sich weiter ziehn,
Und sinkt dann taumelnd wieder in den Staub..
Sie aber singt:
Ich schlief,
Ach, so tief!
Blumen bedeckten mich,
Zweige versteckten mich,
Da kam er und rief:
"Wach auf, es ist Zeit,
Schmücke dein Kleid -
Hochzeit ist heut!"
Über die Höhen
Bin ich geflogen,
Bin durch die träumenden
Thäler gezogen,
Ob ich ihn fände,
Der um mich freit.
Eia.. du Starker -
Weilst du so weit?
Sieh meine Wangen,
Bin ich nicht schön?
Sieh, wie die Locken
Mein Antlitz umwehn!
Ein spinnweben Röcklein,
Zwei purpurne Schuh,
Ein Krönchen von Brombeer
Und Gaisblatt dazu -
So tanze ich singend
Bergab und bergauf,
Kein Stein läßt mich gleiten,
Kein Arm hält mich auf.
Du Wilder... du Großer -
Ich hör deinen Schritt!
Schon reißt dein Verlangen
Mich Zitternde mit,
An schwindelnden Gründen
Und Klüften vorbei -
Wer weiß meine Sehnsucht,
Wer hört meinen Schrei..?
(Befreiung, 1900)

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