Der Pfingstmarkt


Der Pfingstmarkt war aus Rostock nicht wegzudenken. Das größte Treiben des Jahres. Tage vorher gingen wir schon zum Friedrich-Franz-Bahnhof und versuchten, die Schaubuden und Karussells anrollen zu sehen, man war immer wieder neugierig, was der Markt diesmal für Sensationen bringen würde. Man konnte aus den Aufschriften der Wohn- und Packwagen dieses und jenes erraten. Und wenn die großen Buden und Gerüste in der Strandallee aufgeschlagen wurden, dann waren die Rostocker Jungs dabei und halfen Bretter zu tragen und was es sonst so gab, oft bis in die Nacht hinein… Am zweiten Pfingstfeiertag, Schlag 04:00 Uhr (nicht früher) begann der Rummel: auf dem neuen Markt schlug einem schon die Welle von Leierkastenmusik entgegen. … Vom Markt führten die Buden zum Hafen hinunter. Dort stand die große, lange Kuchenbude mit Pfann-, Spritz- und Schmalzkuchen. „Ick will ja nix seggt hebben, sagte der Konditor Langbehn , der sein Café direkt daneben hatte. In der Tür stand er und guckte ganz böse,, weil die ihm ja Konkurrenz machten -' „ Ick will ja nix seggt hebben, översten, de Pfannkuchen salln mit Pierdfett backen sien!."
Bude reihte sich an Bude kaum, dass dazwischen mal ein Durchgang war. Kurzwaren, Stoffe, Hüte, Bijouterien, Galanteriewaren, Geschirr, Steingut, Bunzlauer Töpfe, Glaswaren, Häkelspitzen und was es sonst noch alles gab.
Die Stände zogen sich hin bis zum Mönchen tor, wo das Gedränge so stark war, dass man nur noch geschoben wurde. Hier begann jetzt der wahre Trubel: Das Gedudel der Leierkästen und Karussellorgeln wurden immer stärker und durch die runde Öffnung des Mönchentores leuchtete schon von weitem Kietzmanns Berg- und Talbahn, das Poussierkarussell, das Jahr für Jahr mit dem gleich auf dem gleichen Platz stand...
Ganz gleich, wo man sich auf dem Pfingstmarkt aufhielt, man brauchte kein Geld auszugeben, überall gab es etwas zu sehen und zu hören, was spaßig und unterhaltend war.. .
Je später es wurde, umso bunter wurde es. Im strahlenden, vielfarbigen Licht der kleinen bunten Lampen jagten die rollenden Wagen der Berg und Talbahn auf und nieder, jetzt schon umgrenzt mit Papierschlangen und vollgeschüttet mit Konfetti. Die Wagen waren immer alle besetzt, und ringsherum stand in mehreren Reihen die halbwüchsige Jugend. Manches Mädchen ging ohne und so mancher Primaner mit Haarschleife nach Hause.
Walter Kempowski
Aus großer Zeit (Die deutsche Chronik, Band 1),
Goldmann Verlag 1980, S.102 ff

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