Die Katze


Die Katze

Zwillingsflecken stehen in dem Glas,
übertags nur grau und unscheinbar
Flecken, die des Schleifers Hand vergaß,
doch im Abendglühn lebendig klar
wie zwei runde Augen von Topas.
Solche Augen kannte ich vorzeit,
da ich weilte in dem fremden Land,
Straßen liefen unabsehbar weit,
bis ich endlich jene Stätte fand,
Wo ich ruhte von der Wanderzeit.
Heimat bot mir einen Sommer lang
jenes Dach in stillen Kirchspiels Kreis,
anfangs strich ich scheu den Hof entlang,
und den Bauer, siebzigjährig, greis,
sahen meine Kinderaugen bang.
Und Mechthild, die Frau, war alt und taub,
hatte eine Stimme, hallend, laut –
Der Bedrängnis fiel ich fast zum Raub,
hätte nicht mein schneller Blick erschaut
jene Augen, leuchtend aus dem Laub.
Eine Katze war es, schwarz und groß,
ihre Lichter schauten unverwandt,
langsam löste sie vom Baum sich los,
kam zu mir bis an den Mauerrand,
sprang mit sachtem Sprung auf meinen Schoß.
Hob vertraulich dann zu schnurren an,
lauschte wieder, schob sich nah und dicht
an den fremden kleinen Gast heran,
zeigte nah mir ihrer Augen Licht –
und gebrochen war der böse Bann.
Wie ein Irrwisch lief sie dann und wies
mir den Stall, wo Stern und Bless, die Kuh'
wiederkäuten, wo im Holzverlies
ungelenk das Kalb mit arger Müh'
täppisch stand und in den Eimer blies.
In die Scheune schlichen wir hinein,
uns entgegen schlug der Körner Duft,
glatt und blinkend in dem Dämmerschein
lag die Tenne, eine kühle Gruft,
und das Dreschholz glänzte wie Gebein.
Durch die Hinterpforte ging's gebückt
längs Holunder und dem grünen Kolk
in des Bungerts Wildnis, wo verzückt
tanzend waberte das Mückenvolk,
wo die Bienen summten, lichtbeglückt.
Aus den Dolden klang der Hummel Bass,
und des Nachttaus klarer Tropfen hing
in der Nesseln schattigem Gelass,
taumelnd ging ein gelber Schmetterling,
rote Äpfel klopften in das Gras.
In den Birnbaum turnten wir hinauf,
oben ritt ich auf dem höchsten Ast,
sah ringsum der weißen Straßen Lauf,
die ins Ferne zogen ohne Rast,
sah den goldnen Hahn am Kirchturmknauf.
Bald schon wusst' ich Winkel und Versteck,
saß verborgen unterm schrägen Dach,
Sonnenlicht floss durch das Ziegelleck,
Tauben gurrten in dem Holzgemach,
Fledermäuse hingen starr im Eck.
Immer zum Geleite mir gesellt,
lockte mich das Tier vom Hofe los,
schmaler Pfad lief in das weite Feld,
eben war das Land, es kreisten groß
Windmühlflügel fern am Rand der Welt.
O die Stunde, wenn die Dämmrung da
ihre Schleier wob, von irgendwo
kam der Sang der Ziehharmonika,
schaurig aus dem Busch scholl das Hoho
einer Eule, wie ein Schatten nah.
O die Tage, wenn die Wolken grau
zogen ihre nasse Wanderschaft,
den Kalender brachte mir die Frau,
und die Katze spann zur Nachbarschaft,
Regenschwaden stoben durch die Au.
In dem Schlafgemache, kojenklein –
Zeitungsbilder klebten an der Wand –
schlief ich dann beim letzten Regen ein,
das Gesicht der Türe zugewandt,
horchend, ob die Katze rief: „Lass ein."
* * *
Wenn ich dann schon war auf Traumes Spur,
weckte mich ein Kratzen, für und für,
timpend klang im Haus der Schlag der Uhr,
Mitternacht – ich machte auf die Tür,
draußen stand die Katze auf dem Flur.
Also weckte sie mich auf zur Nacht,
hockte mit mir auf der Fensterbank,
hielt mich an zur aufmerksamen Wacht,
dass ich tief die kühle Nachtluft trank,
dass ich sah der Sterngebilde Pracht.
Manches Mal, wenn ich feldeinwärts geh,
hör ich leises Rascheln neben mir,
dass minutenlang ich lauschend steh,
dass von jenem längstvergangnen Tier
huschen ich den Geisterschatten seh.
Zeitenvorhang hebt sich Stück um Stück,
wie Mirakel der Erinnerung
ruft mir dieser leise Laut zurück
jenes Kirchspiel in der Niederung,
jenes fernen Sommers Kinderglück.
Hans Leifhelm (1891–1947)
Bild: pixabay.com

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