Die Frau des Alternden

Die Frau des Alternden

Es ist nicht mehr, wie in den ersten Jahren,
da sie einander liebten, überreich –
ein Frühherbstschimmer, wie der Reif so bleich,
ruht heute schon auf seinen müden Haaren,
doch sie blieb unversehrt und mädchengleich.
Und immer noch, wenn sie auf Wiesen gehen,
und sie sich eng an seine Schulter lehnt,
weiß er, dass sie nichts anderes ersehnt
als dies: mit ihm auf ihren jungen Zehen
durchs Land zu schreiten, das sich blühend dehnt.
Da ist sie noch ganz sein – auch in den Nächten,
wenn schwerer Duft von dunkeln Beeten weht.
Und seiner Inbrunst, die schon fast Gebet,
begegnet sie im Golde loser Flechten
und gibt ihm reicher, als er selbst erfleht.
Doch wenn des Abends einmal Geigen klingen,
und ihr geschmeidig schlanke Tänzer nahn,
da sieht sie ihn so fremd und fragend an,
und plötzlich ist sie voll von fernen Dingen,
wie einem andern Zauber aufgetan.
Und wenn sie dann aus sehnig-heißen Armen
zu ihm zurückkehrt, der so sehr allein,
hat sie ein Lächeln, heimlich, kühl und fein,
und Blicke voll verschwiegenem Erbarmen
und Worte wie Verzichten und Verzeihn.
Anton Wildgans (1881–1932)

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