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Novelle

BEGINNENDE GOETHE-REZEPTION: Mit 9 entdeckte ich Goethes Gedicht "Die wandelnde Glocke" illustriert in der österreichischen Kinderzeitschrift "Wunderwelt", die ich damals abonniert hatte. Da ich kein eingeschüchterter Kirchgänger, aber auch kein einschüchterbarer Nichtkirchgänger war, las ich das Ganze mit wohligem Gruseln und nicht ohne Staunen. - Weitere Balladen Goethes lernte ich mit 12 durch die Schule kennen. - Aus dem Nachlass eines früh verstorbenen Onkels geriet mir mit 12 auch Goethes "Hermann und Dorothea" in die Hände. Ich las dies einst (wie ich später erfuhr) sehr bekannte und verbreitete Werk daraufhin ganz aus freien Stücken und später noch mindestens dreimal. In der Schule lasen wir dann später "Götz von Berlichingen" und neben einigen Gedichten wieder einige Jahre später den "Faust I" ("Faust II" nur in wenigen Szenen) und Goethes "Novelle".

Ein verfallenes Schloss

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Ein verfallenes Schloss Den Trümmern stehn des Waldes grüne Wogen wie frische Myrten der verlass'nen Braut ... Mir ist bei jenen halbzerbroch'nen Bogen, als ob ein Aug' mich sterbend angeschaut. Ob auch die Sonn' mit einem Strom des Lebens das sinkende Gemäuer hell begrüßt, ach, all ihr treues Mühen ist vergebens – hat je das Leben wach den Tod geküsst? Die Büsche schmiegen ihre zarten Spitzen wie grüne Schleier um den grauen Bau, leis rauscht Geröll aus graubemoosten Ritzen, dazwischen nickt der Glockenblume Blau. Der Efeu zieht sein Netz um Kluft und Spalten, um jene Zeugen der Vergänglichkeit, als wollt' er liebend das zusammenhalten, was übrig noch aus längstvergang'ner Zeit. So steht dies Werk, verwittert und zerfallen, ein Bild versunk'ner Größe, überm Tal, verlassen stehn die hochgewölbten Hallen, die Jubel einst durchscholl beim Weinpokal. Ich blick' mit Wehmut auf die düstern Mauern, die leise der Vernichtung Hauch verheert, und mein Gemüt durch

Der Spaziergang

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Der Spaziergang Ihr Wälder schön an der Seite, Am grünen Abhang gemalt, Wo ich umher mich leite, Durch süße Ruh bezahlt Für jeden Stachel im Herzen, Wenn dunkel mir ist der Sinn, Den Kunst und Sinnen hat Schmerzen Gekostet von Anbeginn. Ihr lieblichen Bilder im Tale, Zum Beispiel Gärten und Baum, Und dann der Steg, der schmale, Der Bach zu sehen kaum, Wie schön aus heiterer Ferne Glänzt einem das herrliche Bild Der Landschaft, die ich gerne Besuch′ in Witterung mild. Die Gottheit freundlich geleitet Uns erstlich mit Blau, Hernach mit Wolken bereitet, Gebildet wölbig und grau, Mit sengenden Blitzen und Rollen Des Donners, mit Reiz des Gefilds, Mit Schönheit, die gequollen Vom Quell ursprünglichen Bilds. Friedrich Hölderlin, geboren am 20. März 1770, gestorben am 7. Juni 1843 (Gedichte 1806 - 1843) Das Bild ist von Ferdinand Hodler (1853 - 1918)

Ick sitze da un esse Klops

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Ick sitze da un esse Klops. Uff eemal klopp’s. Ick kieke, staune, wundre mir, Uff eemal jeht se uff, de Tür. Nanu denk’ ick, ick denk’ nanu, Jetzt is se uff, erscht war se zu? Un ick jeh raus un blicke Un wer steht draußen? – Icke! Mit dem Verfassernamen Jean de Bourgeois wurde dieses so volkstümlich wirkende Gedicht im Europa-Almanach, herausgegeben 1925 von Paul Westheim und Carl Einstein, veröffentlicht. Danach bekam es ein Eigenleben, und es wurde als original Berliner-Schnauze-Werk viel und gern nachgedruckt. Zuletzt 2017 im Band 387 in Die andere Bibliothek „Ich kieke, staune, wundre mir. . . - Berlinerische Gedichte von 1830 bis heute“, herausgegeben von Thilo Bock, Wilfried Ihrig und Ulrich Janetzki. Doch es ist anzunehmen, dass hinter dem Pseudonym Jean de Bourgeois einer der Herausgeber des Almanaches von 1925 selber steckt: Der Dichter und Kulturphilosoph Carl Einstein. Carl Einstein, eigentlich Karl Einstein, geboren am 26. April 1885 in Neuwied; gestorben am 5. Juli 1940 i

Das arme Mäderl träumte

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,,Ich möchte einen blauen Ballon haben! Einen blauen Ballon möchte ich haben!« »Da hast du einen blauen Ballon, Rosamunde!« Man erklärte ihr nun, daß darinnen ein Gas sich befände, leichter als die atmosphärische Luft, infolgedessen etc. etc. »Ich möchte ihn auslassen«, sagte sie einfach. »Willst du ihn nicht lieber diesem armen Mäderl dort schenken?!?« »Nein, ich will ihn auslassen!« Sie läßt den Ballon aus, sieht ihm nach, bis er verschwindet in den blauen Himmel. »Tut es dir nun nicht leid, daß du ihn nicht dem armen Mäderl geschenkt hast?!?« »Ja, ich hätte ihn lieber dem armen Mäderl geschenkt!« »Da hast du einen andern blauen Ballon, schenke ihr diesen! »Nein, ich möchte den auch auslassen in den blauen Himmel!« – Sie tut es. Man schenkt ihr einen dritten blauen Ballon. Sie geht von selbst hin zu dem armen Mäderl, schenkt ihr diesen, sagt: »Du lasse ihn aus!« »Nein«, sagt das arme Mäderl, blickt den Ballon begeistert an. Im Zimmer flog er an den Plafond, blieb drei Tage lang picke

Lied des Einsiedels

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Lied des Einsiedels Wie seltsam hat sich dies gewendet, dass aller Wege wirrer Sinn vor dieser schmalen Tür geendet und ich dabei so selig bin! Der stummen Sterne reine Nähe weht mich mit ihrem Zauber an und hat der Erde Lust und Wehe von meinen Stunden abgetan. Der süße Atem meiner Geige füllt nun mit Gnade mein Gemach, und so ich mich dem Abend neige, wird Gottes Stimme in mir wach. Wie seltsam hat sich dies gewendet, dass aller Wege wirrer Sinn vor dieser schmalen Tür geendet und ich dabei so selig bin, und von der Welt nur dies begehre, die weißen Wolken anzusehn, die lächelnd, über Schmerz und Schwere, von Gott hin zu den Menschen gehn. Stefan Zweig (1881–1942) Gemälde: Gerard Dou (1613 –1675), Betender Einsiedler – pinakothek.de

Zum Nachdenken

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„Habe meinem Sohn von klein auf beigebracht, dass wir nicht in den Wald sondern in das "Haus der Tiere" gehen. Er wollte wissen, wieso ich den Wald so nenne. Ich habe Ihn gefragt, wo er schlafen würde: "Im Bett" hat er gesagt. "Wo steht Dein Bett?" "Ja im Haus!" war die Antwort. "Wo isst Du?" war meine nächste Frage. "In der Küche" war die Antwort. "Und wo ist die Küche?" "Ja bei uns im Haus!" "Jetzt rate mal wo die Tiere hier schlafen" forderte ich ihn auf nachzudenken. "Ja hier" stellte er fest und fügte gleich hinzu: "und sie essen ja auch hier!" "Was würdest Du machen, wenn jemand zu uns ins Haus kommt, rumbrüllt, alles platt tritt und kaputt macht?" "Ich würde Dich holen" entgegnete mein Sohn. "Du würdest ihn rauswerfen." "Stimmt, können uns aber die Tiere hier rauswerfen?" "Nein, das geht nicht" stellte er fest und fragte

Der Juli

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Der Juli Erich Kästner Still ruht die Stadt. Es wogt die Flur. Die Menschheit geht auf Reisen oder wandert sehr oder wandelt nur. Und die Bauern vermieten die Natur zu sehenswerten Preisen. Sie vermieten den Himmel, den Sand am Meer, die Platzmusik der Ortsfeuerwehr und den Blick auf die Kuh auf der Wiese. Limousinen rasen hin und her und finden und finden den Weg nicht mehr zum Verlorenen Paradiese. Im Feld wächst Brot. Und es wachsen dort auch die zukünftigen Brötchen und Brezeln. Eidechsen zucken von Ort zu Ort. Und die Wolken führen Regen an Bord und den spitzen Blitz und das Donnerwort. Der Mensch treibt Berg- und Wassersport und hält nicht viel von Rätseln. Er hält die Welt für ein Bilderbuch mit Ansichtskartenserien. Die Landschaft belächelt den lauten Besuch. Sie weiß Bescheid. Sie weiß, die Zeit überdauert sogar die Ferien. Sie weiß auch: Einen Steinwurf schon von hier beginnt das Märchen. Verborgen im Korn, auf zerdrücktem Mohn, ruht ein zerzaustes Pärchen. Hier steigt kein P

Das waren Tage Michelangelo's

Das waren Tage Michelangelo's “ Rainer Maria Rilke. Das waren Tage Michelangelo's, von denen ich in fremden Büchern las. Das war der Mann, der über einem Maß, gigantengross, die Unermesslichkeit vergaß. Das war der Mann, der immer wiederkehrt, wenn eine Zeit noch einmal ihren Wert, da sie sich enden will, zusammenfasst. Da hebt noch einer ihre ganze Last und wirft sie in den Abgrund seiner Brust. Die vor ihm hatten Leid und Lust; er aber fühlt nur noch des Lebens Masse und daß er Alles wie  ein  Ding umfasse, - nur Gott bleibt über seinem Willen weit: da liebt er ihn mit seinem hohen Hasse für diese Unerreichbarkeit.

An meine Frau

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An meine Frau Mögest du mir´s nicht verargen, Was du hast, verlierst du nicht. Sieh, die Liebe kann nicht kargen, Sie ist Fülle, keine Pflicht. Meiner Jugendjahre Gabe, Meine ganze Leidenschaft, Was ich je gegeben habe, Geb´ ich noch mit ganzer Kraft. Kamst mit deinen Jugendjahren, Gabst dein ganzes Herz mir hin, Und ich hab´ es oft erfahren, Dass du meine Trösterin. Mit einander, an einander Tragen menschlich wir das Leid Treu verbunden, auch selbander Stunden wir in manchen Streit. Was uns trennt kann uns nicht scheiden. . . Gustav Landauer, aus seinem Tagebuch, 6. März 1899, VbR Unipress, Göttingen 2017. Gustav Landauer, geboren am 7. April 1870 in Karlsruhe; gestorben am 2. Mai 1919 in München-Stadelheim, Schriftsteller, Übersetzer, Anarchist, sein wichtigster Einfluss war Peter Kropotkin. Als Pazifist kritisierte er den Ersten Weltkrieg scharf. Während der Novemberrevolution 1918/19 und unmittelbar danach war er an einflussreicher Stelle an der Münchner Räterepublik vom 7. bis zum

Haus im Frühling

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Haus im Frühling Schon immer war mir der Frühling Freund wie jedem, der ihn besang, doch diesjahrs kommt er bekränzt und gebräunt und mit lachendem Überschwang. Er gibt mir Wiesen und Hain und Wald, eigen Hof, eigen Haus und Getier und bleibt in deiner geliebten Gestalt für selige Zeiten bei mir! O, denk es zu Ende! O, denk dir dies anwachsende Glück zu zwein. Der Abend: dein Gang über knirschenden Kies und drin meiner Lampe Schein! Der Winter: wir zwei, die geborgen sind, über liebe Bücher gebeugt! Und denk das Kind dir, unser Kind von Sehnsucht und Kraft gezeugt! Du gibst mir Heimat, du gibst mir ein Haus, nimmst Friedlosigkeit von mir. An deiner Brust weint das Weh sich aus und Angst verzittert bei dir. Nun kommt meines Lebens Erntezeit und nun erst lern ich verstehen den Jubel des von der Vogelweid: "Ich hân min lêhen - min lêhen!" Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 Alma Johanna Koenig, geboren am 18. A

Ich lag und schlief

Ich lag und schlief – Und siehe! es ging ein Strahl durch die Nacht, und es rief eine Stimme in meinen Traum und rief mich: »Seelchen! Seelchen!« Da gingen mir meine Augen auf, und ich sah ihn – doch er entwich und rief und rief mich: »Seelchen! Seelchen!« Da ließ ich mein Haus und ging – – Ich ging und suchte so lange, so lang', bis die Kraft mir brach – und ich wollte zurück, doch es rief mich: »Seelchen! Seelchen!« Und rief und winkte so still mit der Hand, dass ich folgen musste, bis ich ihn fand, den meine Seele vernahm – bis er mich erleuchtet mit seinem Licht, bis ich ihn gesehen von Angesicht, den Guten … Er breitete seinen Arm um mich, und siehe! all meine Schuld verblich, mein Schmerz ward still – und es versank unter seinem Blick meine Menschennot, mein Menschenglück, und all meine Sehnsucht starb ... Thekla Lingen (1866 –1931)

Aljoscha, der kleine Schuhputzer

Es war am Weihnachtstag in Sankt Petersburg. Draußen am Horizont ging gerade zinnoberrot die Sonne auf. Vom Stadtrand her hörte man den tiefen Glockenschlag der Kasaner Kathedrale und ein ungewöhnlich lauer Wind wehte durch die Stadt. Auf den Dächern der Häuser schmolz der Schnee, von den Kanten und Traufen tropfte das Wasser herab, das sich im Matsch auf den Pflastersteinen sammelte, überlief und in beachtlichen Rinnsalen abwärtsfloss. Für die Bürger der Stadt, für die einfachen Leute, für die Tagelöhner, Taugenichtse und armseligen Bettler, und auch für die Adeligen, die in ihren Automobilen angefahren kamen, war dieser Tag ein Tag, der großartig war. Sie hasteten und rannten, sie hetzten und stolperten, sie humpelten und krochen durch die Straßen und Gassen, als wäre der Lohn am Ende Gold und Silber oder gar das eigene Seelenheil. Bereits zu Hunderten hatten die Schaulustigen sich vor dem Winterpalast des Zaren eingefunden. Mit staunenden Gesichtern verfolgten sie die Künste der Gau